CityCult bedankt sich bei einem wichtigen Zeitzeugen – Herrn Hans Flor, den letzten Überlebenden eines KZ aus Heidelberg
„Heidelberg ist meine Heimat. Hier bin ich geboren und mir gefällt es hier. Und ich weiß nicht, warum ich meine Heimat verleugnen sollte, nur weil es hier einmal Verbrecher gab.“ (Hans Flor)
Es war in den Pfingstferien 2011, als wir vom Altstadt Kinder- & Jugendtreff CityCult erstmals Kontakt zu Hans Flor hatten. Damals organisierten wir das einwöchige Ferienprogramm „Alter Jüdischer Friedhof“, ein Projekt, bei dem freiwillige Kinder und Jugendliche den alten Friedhof der jüdischen Heidelberger – genau gegenüber der „Villa Klingenteich“ gelegen – auf Vordermann brachten. Dabei wurde Müll und Unrat eingesammelt, die Grabsteine wurden vorsichtig gereinigt und von Flechtenbewuchs befreit und die Pflanzen zurückgeschnitten, alles unter der fachmännischen Anleitung durch das Friedhofsamt. Neben den Tätigkeiten auf dem Friedhof erfuhren die Freiwilligen im Verlauf der Woche auch viel über die Geschichte des Friedhofs und über die Geschichte der Juden hier in Heidelberg allgemein.
Das Projekt hatten wir mit Hilfe der Eheleute Ingrid und Dr. Frank Moraw, zwei absoluten Fachleuten zum jüdischen Leben in Heidelberg, vorbereitet. Daneben wirkten am Projekt der Rabbiner Janusz Pawelczyk–Kissin, der damalige Leiter des Kulturamtes der Stadt Heidelberg, Herr Hans-Martin Mumm, die pensionierte Geschichtslehrerin Agnes Bennhold sowie drei Zeitzeugen aus dem Dritten Reich mit. Frau Dr. Hannelies Schulte, damalige Schülerin der Höheren Mädchenschule (heute Hölderlin-Gymnasium) berichtete über ihre Erfahrungen in der Reichspogromnacht und Herr Artur Eichfeld, ehemaliger Schüler der Höheren Bürgerschule in der Kettengasse und später Hauptmann in der Wehrmacht, erzählte vom „Verschwinden“ seiner jüdischen Mitschüler, seinem Notabitur und seinen Erfahrungen aus dem Krieg.
Das Zusammentreffen mit dem dritten Zeitzeugen, der aufgrund seiner Abstammung von einer jüdischen Mutter noch kurz vor Kriegsende in das KZ Theresienstadt deportiert worden war, wollten die Moraws für die Jugendlichen arrangieren. Doch drei Wochen vor dem Projektbeginn in den Pfingstferien 2011 verstarb Frank Moraw ganz plötzlich. Zu unserer großen Überraschung erschien die trauernde Ingrid Moraw in dieser für sie so schlimmen Zeit dennoch zum Projekt und ermöglichte so den Freiwilligen und uns CityCult-Mitarbeitern, Herrn Flor kennenzulernen.
Herr Flor erwies sich dabei als eloquenter, positiver und lebensbejahender Mitmensch, der auch gegenüber den Jugendlichen keinerlei Berührungsängste hatte. Was für eine tolle Begegnung!
Geradezu sprachlos waren wir damals, als wir erfuhren, dass Herr Flor seinen eigenen Kindern und Enkelkindern gegenüber nie von seinen Erlebnissen im Dritten Reich gesprochen hatte. Er hatte sich entschieden, zu schweigen, und dieses Schweigen hatte er erst kurze Zeit vor unserem Friedhofsprojekt erstmalig gegenüber den Moraws gebrochen, als diese ihn interviewt hatten. Und nun ermöglichte Ingrid Moraw uns im Altstadttreff, diesen großartigen Menschen kennenzulernen… Was für ein Geschenk!
Es gelang uns in den letzten zehn Jahren, Herrn Flor mehrfach als Zeitzeugen für Begegnungen mit Jugendlichen zu gewinnen. Auch vermittelten wir Herrn Flor bereits an unsere Partner-Schule, an das Hölderlin-Gymnasium, wo er ebenfalls bei mehreren Projekten mitgewirkt hat. Heute sind wir CityCultler sehr stolz darauf, dass wir unseren BesucherInnen im Altstadt-Treff Herrn Flor vorstellen durften. Und wir sind ihm ohne Ende dankbar!
Nun ist es an der Zeit, Herrn Flor nicht nur zu danken, sondern ihm vielmehr unseren Respekt auszudrücken. Unseren Respekt dafür, dass er sein Schweigen gebrochen und seine Erfahrungen an Jüngere weitergegeben hat und weitergibt. Und dafür, dass er ist, wie er ist – offen, authentisch und liebenswert!
Wir haben O-Töne gesammelt, O-Töne von ganz unterschiedlichen jungen HeidelbergerInnen. Dabei haben die meisten von ihnen in den letzten zehn Jahren Herrn Flor in verschiedenen Projekten persönlich kennengelernt. Andere haben durch MitschülerInnen und FreundInnen von ihm gehört und wieder andere wollten ihm stellvertretend für ihre junge Generation dafür danken, dass er sein Schweigen gebrochen hat. Sie alle kamen zu Wort; sie alle richteten eine persönliche Nachricht an Herrn Flor.
Lieber Herr Flor, diese Gabe an Sie kann nur einen symbolischen Wert haben. Aber wir hoffen, Sie können es sprichwörtlich fühlen, dass es vielen Ihrer jüngeren Mitmenschen ein Bedürfnis war, an dieser Collage/an diesem Album mitzuwirken. Und wir alle können Ihnen nur eines aus tiefsten Herzen sagen: DANKE!
Das Gesamtprojekt als Flor-Projek-PDF
Die Fotos von der Übergabe stammen von Herrn Philipp Rothe, der sie uns dankenswerter Weise zur Verfügung gestellt hat.
Das Projekt wurde verwirklicht mit der freundlichen Unterstützung durch den Stadtteilverein Alt-Heidelberg, e.V.